Stressmanagement im Unternehmen

Im Interview mit Jan Philippi

Maschinen, neue Technologien oder die Expansion über einen Unternehmenszukauf. Fragt man Unternehmer nach vergangenen Investitionen, die sich in den Erfolgskennzahlen des eigenen Betriebs niedergeschlagen haben, ist höchstwahrscheinlich mit diesen Antworten zu rechnen. Bei Jan Philippi erhält man eine weitere. Der 34-jährige Diplompsychologe ist auf Stressmanagement spezialisiert und gibt bereits seit über drei Jahren Workshops zu diesem Thema. In den Gesprächen mit Führungspersonen und deren Mitarbeitern klärt er auf, wie richtig mit Stress umzugehen ist und welche positiven Auswirkungen es auf das Unternehmen haben kann.

 

Die Förderung der psychischen Gesundheit von Mitarbeitern ist kein 'Nebenbei-Projekt', sondern erfordert ein langfristiges Commitment und manchmal sogar einen kompletten Wandel der Firmenkultur. Das muss von den Führungskräften vorgelebt werden und für jeden Mitarbeiter spürbar sein"

(Jan Philippi, Diplompsychologe und Coach)

Sie wissen aus eigener Erfahrung, wie wichtig Stressmanagement ist. Wollen Sie uns verraten, warum?

Ich war damals parallel zu meinem Psychologiestudium als professioneller Pokerspieler selbstständig tätig. Das lief auch ziemlich erfolgreich, bis ich merkte, dass ich mit meinem Leben gar nicht mehr zufrieden war. Ich vernachlässigte meine Hobbies, Freunde und vor allem meine Gesundheit. Viel zu hohe Ansprüche an mich selbst, der permanente Druck, den ich mir selbst machte und ein ungesunder Lifestyle führten zu einem Burnout mit Ende 20. Ich musste dringend etwas ändern und befasste mich mit den Themen Stressmanagement und Persönlichkeitsentwicklung. Dass ich mich nebenher noch im Psychologie-Studium befand, war ein glücklicher Umstand. Ich wechselte meine Vertiefungsrichtung und bildete mich im Coaching weiter. Seit meinem Uniabschluss biete ich Workshops zum Thema Stressmanagement in mittelständischen Unternehmen an.

 

Warum ist Stressmanagement in den Unternehmen wichtig?

Allen voran profitieren die Unternehmen von gesünderen und leistungsfähigeren Mitarbeitern. Sind diese motiviert, engagiert und fit, zahlt das auf eine positive Atmosphäre ein und der Betrieb ist langfristig erfolgreicher. Eine Studie vom Softwarehersteller SAP belegte das mit Zahlen. Sie entwickelten einen sogenannten Business Health Culture Index (BHCI). Dieser gibt an, wie gut eine Organisation die eigenen Mitarbeiter ganzheitlich gesund hält. Im Ergebnis fand SAP heraus, dass sie mit jedem Prozent, um das sich der BHCI verbessert, Kosten von etwa 65 bis 70 Millionen Euro einsparen. Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter lohnen sich also – nicht nur mit Blick auf das Wohlbefinden, sondern auch auf den wirtschaftlichen Erfolg.

 

Sieht das auch der Mittelstand so?

So pauschal kann man das nicht sagen. Es gibt noch ein paar wenige Unternehmen, in denen das Thema partout abgelehnt wird. `Erfolg entsteht durch Druck`, `Für seine Gesundheit hat jeder selbst Sorge zu tragen` oder `Uns geht das nichts an` sind Aussagen, denen ich manchmal tatsächlich noch begegne. Ein Großteil der Betriebe hat hingegen erkannt, dass Gesundheitsförderung und Stressmanagement wichtig für die Atmosphäre und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sind. Allerdings scheitert es dann an der konkreten Umsetzung – etwa weil sie es eher halbherzig angehen, nicht wissen, wo sie ansetzen sollen oder aber komplett falsche Vorstellungen davon haben. Es ist eben nicht nur mit einem Kickertisch, jährlichen Teamevents, einem Feel-Good-Manager oder kostenlosem Obst und Wasser getan.

 

Wie macht man es richtig?

Vorbildliche Unternehmen verschaffen ihren Angestellten Zugang zu vielseitigen Gesundheitsprogrammen oder bieten Möglichkeiten des Ausgleichs. Dazu zählen beispielsweise Sport- und Fitnesskurse, Check-Ups, Beratungsgespräche und Workshops, oder ein sogenanntes Sabbatical. Doch bevor in den Unternehmen derartige Präventionsmaßnahmen eingeführt werden, müssen die Führungskräfte erkennen, dass sie eine Teilverantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiter tragen. Sie haben eine Vorbildfunktion und müssen selbst davon überzeugt sein. Nur wenn der Chef gesund lebt, macht es auch der Mitarbeiter. Daher ist es beispielsweise nicht zielführend, seinen Angestellten vereinzelte Workshops auf freiwilliger Basis anzubieten – sich selbst aber rauszuhalten. Die Führungsebene muss immer mit eingebunden werden.

 

Wie kann man sich einen Workshop bei Ihnen vorstellen?

Um das Vertrauen zu gewinnen und das Eis zu brechen, erzähle ich oft zunächst meine eigene Geschichte. Danach kommen die Teilnehmer zu Wort. Sie sprechen darüber, warum und in welchem Ausmaß sie Stress empfinden, führen in diesem Zuge so gut wie immer Ursachen wie ein schlechtes Konfliktmanagement, fehlende Kommunikation, grenzenlosen Perfektionismus und eine ungesunde Lebensweise an. Sehr interessant wird es dann, wenn wir uns mit den eigenen Werten auseinandersetzen: Was motiviert dich? Wofür nimmst du Stress in Kauf und was bekommst du dafür zurück? Was brauchst du, um stressfrei zu arbeiten, und was davon setzt du wirklich um? Schon die offenen Worte in der großen Runde können helfen, denn die Kollegen realisieren, dass sie mit ihren Problemen nicht allein sind. Das stärkt das Teamgefühl. Gemeinsam führen wir dann verschiedene Übungen für den Arbeitsalltag durch. Dazu zählen beispielsweise Kommunikationsübungen, das Auseinandersetzen mit Werten und Lebensstilen in visueller und schriftlicher Form oder diverse Entspannungstechniken.

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