Effizienz kommt von New Work

Im Interview mit Dr. Tina Ruseva

„New Work“ ist derzeit ein sehr beliebtes Buzzword. Aufgrund von Corona, der beschleunigten Digitalisierung und Vorstößen wie der vorübergehenden Homeoffice-Pflicht werden neue Formen der Zusammenarbeit heiß diskutiert. Auch uns als digitale Plattform und fortschliche Arbeitgebende interessiert das Thema. Deshalb haben wir kurzerhand eine Vordenkerin auf dem Gebiet der New Work um ein Interview gebeten – Dr. Tina Ruseva. Sie ist Expertin für Entrepreneurship und Innovation, Gründerin und CEO der Community-Plattform Mentessa, Speakerin, Mentorin sowie Initiatorin des Big & Growing New Work Festivals. 2019 erschien mit „Big Heart Ventures“ zudem ihr erstes Buch.

Tina, was verbirgt sich eigentlich hinter der heute so oft zitierten „New Work“?

"Der Begriff kann vieles bedeuten und ist nicht in Stein gemeißelt. Dennoch gibt es einige Faktoren, die dabei eine Rolle spielen. Der zentrale ist die Digitalisierung und wie sie die Art, wie Menschen zusammenarbeiten, und auch die Märkte um uns herum verändert. Hinzu kommt der Generationswechsel. Wir haben ab der Generation Y erstmals Arbeitnehmende, die mit Internet und 24 Stunden am Tag verfügbaren, mobilen Informationen aufgewachsen sind. New Work heißt im Grunde: Es ändert sich alles. Also müssen wir neu arbeiten. Wenn wir das schon tun, dann sollten wir dafür sorgen, dass die Arbeitswelt nicht nur High-Tech, sondern auch High-Human ist. Mehr Achtsamkeit, Empathie und mehr Menschlichkeit in der Arbeit sind damit weitere Aspekte der New Work."

 

Sind digitale Geschäftsmodelle untrennbar mit einer New Work verbunden?

"Heute haben wir globale Märkte und jeder mit Zugang zum Internet kann beispielsweise etwas aus dem Ausland kaufen oder dorthin verkaufen. Das bedeutet aber, dass die Mitarbeitenden in den Unternehmen genau die gleiche Experience von ihrem Arbeitsplatz erwarten. Sie wollen, wie in einem sozialen Netzwerk, schnell und einfach miteinander in Kontakt treten, spielerisch kommunizieren und Spaß haben. Das hat Einfluss auf die Organisationsstruktur im Unternehmen. Wenn ein Geschäftsmodell immer innovativer wird, dann können auch Mitarbeiter nicht mehr mit starren Hierarchien, wenig Informationen und unveränderlichen Anweisungen geleitet werden. Als Unternehmen muss ich sie stattdessen befähigen, selbstständig, schnell und agil Innovationen zu generieren. Das erfordert allgemeine Flexibilität, kreative Ansätze und das Miteinander unterschiedlicher Arbeitsmodelle. New Work wird für Unternehmen aufgrund externer Fragen immer wichtiger: Wie schaffe ich schnell Innovationen am Markt? Aber auch aus internen Gründen: Wie motiviere ich meine bestehende Mitarbeiterschaft und wie gewinne ich die besten jungen Talente?"

 

Und kann sich die neue Arbeitswelt von vornherein besser auf Herausforderungen wie die Corona-Pandemie einstellen?

"Ja, ich glaube, bis zu einem gewissen Grad macht uns die Digitalisierung, Flexibilisierung und Individualisierung der Arbeit resilienter gegen Krisen. Dennoch ist die digitale Welt so komplex, dass wir keine Krise ganz genau vorhersagen können. Es wird also weitere geben. In starren Konstrukten und Arbeitsmodellen können wir nur langsam, vage und ineffektiv auf solche Herausforderungen reagieren. Zeit spielt hier aber oft die wichtigste Rolle. Die Unternehmen, die schnell auf Veränderungen reagieren, Innovationen auf den Markt bringen, lernen und Feedback von Kunden bekommen, gewinnen dadurch einen exponentiellen Vorsprung vor Wettbewerbern, die das nicht können. Heute muss sich jedes Unternehmen der Effizienz stellen und – so kontraintuitiv es sich vielleicht anhört – Effizienz kommt von New Work. Sie bedeutet nicht nur Yoga und Mindfulness. New Work ist die Digitalisierung unserer Zusammenarbeit im Interesse jedes Einzelnen, der Unternehmen und unserer Gesellschaft."

 

Wenn aber Teams vermehrt im Homeoffice oder mobil arbeiten, wie kann dann eine Entfremdung verhindert werden?

"Es stimmt: Früher sind wir zur Arbeit gegangen, da war schon das Gebäude, meine Arbeitsstelle, eine Identifikationsmöglichkeit. Das fällt mit der New Work mehr und mehr weg. Deshalb müssen Unternehmen ein virtuelles Zuhause, eine Employer Experience erschaffen. Dafür reichen aber ein Chatkanal und Video-Meetings allein nicht aus. Employer Experience sollte stattdessen etwas sei, das Technologie nutzt, um die humanste Erfahrung zu schaffen, die möglich ist. Das erfordert ein festes Regelwerk, eine Hardware sozusagen – wann, wo und wie findet Arbeit statt? Und es braucht andererseits auch eine Software, eine Benutzeroberfläche. Das heißt: Wie kommuniziere ich mit meinen Mitarbeitenden und sie mit mir, welche internen Communities brauchen sie, um sich zu vernetzen? New Work benötigt dazu ein gutes Regelsystem, flexible Strukturen und eine humane Unternehmenskultur mit Wertschätzung, agilen Netzwerken, Entwicklungsmöglichkeiten und Mentoring-Programmen. Diese Employer Experience wird in Zukunft die Grundlage für Loyalität, Zufriedenheit und Produktivität in den Unternehmen sein. Dabei ist New Work aber nichts, was man fertig aus dem Regal bekommen kann, ein Organigramm, das ich einfach abarbeite, oder ein Land, in dem ich ankomme. New Work ist eher eine Reise, ein kontinuierlicher Lernprozess. Jedes Unternehmen muss hier seinen eigenen Ansatz finden."

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