Finanzexperten diskutieren im virtuellen Kamingespräch über die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und ihre Auswirkungen. Mehr dazu im creditshelf Magazin.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Wir erleben derzeit die schwerste Konjunkturkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Die deutsche Volkswirtschaft verkraftet die Pandemie aber deutlich besser als andere. Aktuell rechne ich nach dem Einbruch im zweiten Quartal mit einer Stabilisierung im zweiten Halbjahr. Für 2021 sollten wir einen Zuwachs von fünf bis sechs Prozent beim Bruttoinlandsprodukt erreichen.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Die Politik hat gut reagiert, was dazu beitrug, dass sich die Konjunkturindikatoren bereits seit Mai verbessert haben. Der deutsche Rettungsschirm schützt in vielen Fällen vor Arbeitslosigkeit und Insolvenz – er ist richtig konzipiert worden, auch wenn einiges nachgeregelt werden musste. Die Politik hat einen guten Job gemacht!
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Mit dem Rettungsschirm sind wir breit und gut aufgestellt. Zur Finanzpolitik habe ich eine abweichende Meinung: Durch das neue Paket steigt die Verschuldung um weitere 75 Milliarden Euro. Die Wirkung der Maßnahmen wird die zusätzliche Verschuldung nicht rechtfertigen. Auch die Mehrwertsteuersenkung ist wenig effizient: Sie erzeugt jetzt Vorzieheffekte, die zu einer niedrigeren Nachfrage 2021 führen werden. Die Konjunktur hätte sich auch ohne diese Maßnahme erholt.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Bei den Zahlen der Wirtschaftsweisen gehe ich mit. Wir werden mit einer kräftigen konjunkturellen Erholung aus dem dritten Quartal hinausgehen – aber Einkommens- und Wohlstandsverluste lassen sich nicht vermeiden.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Das ist eine spannende Frage. Die Antwort hängt von dem Verlauf der Pandemie in den wichtigen Exportländern ab. In den USA und in Brasilien beispielsweise sind die Fallzahlen sehr hoch; diese Länder haben eine schwierige Zeit vor sich. Die Weltwirtschaft wird noch länger sehr gedämpft laufen. Ich rechne mit ein bis zwei Jahren. Aber Deutschland profitiert von vielen Produktionsstätten im Ausland – zum Beispiel in China. Wir sind so weniger betroffen von Restriktionen bei Import, Transport und Logistik.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Im Mai hatten wir bereits ein Plus bei der Produktion gegenüber April. Seit Juni sind wir auf dem Weg aus der Rezession. Es wird jedoch lange dauern, bis wir sie komplett überwunden haben, beispielsweise mit Blick auf die Arbeitslosigkeit.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Betrachten wir zwei Elemente: die Pandemiebekämpfung und die wirtschaftliche Seite. Die Bekämpfung der Pandemie ist uns gut gelungen, weil wir nicht die ersten Betroffenen waren und lernen konnten. Dennoch gilt: Wir sind, wie andere, unvorbereitet in die Pandemie geschlittert. Aus wirtschaftlicher Perspektive besitzt Deutschland eine hohe Zugkraft für Europa. Wir haben uns finanzpolitisch einen großen Spielraum erarbeitet. Die sparsame Haushaltspolitik der vergangenen Jahre wirkt jetzt absolut positiv. Beliebt ist unser Land dafür nicht in Europa, weil wir unsere Unternehmen besser schützen können und damit vermeintliche Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Staaten haben.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Die Geldpolitik der EZB mit weitreichenden Ankündigungen hat die Vertrauenskrise in den Finanzmärkten verhindert. Die Angst vor dem Zusammenbruch war groß, deshalb hätte ein weniger entschiedenes Handeln Schaden angerichtet. Dass der groß dimensionierte Ankauf von Staatsanleihen bereits lange geschieht, ist jedoch kritikwürdig. Langfristig müssen wir aus dieser Politik aussteigen. Der Spielraum dafür schmilzt.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Wir müssen die Binnenwirtschaft in Europa stärken und weniger abhängig vom Außenhandel werden. Binnendynamik entsteht durch mehr Investitionen in Europa. Die Voraussetzung sind bessere Rahmenbedingungen für Investoren.
Kerstin Raclet
Prof. Dr. Michael Heise
Europa ist dabei, seine Chance zu nutzen: Das 750-Milliarden-Euro-Hilfspaket zeigt nicht nur Solidarität in der Krise. Es könnte auch dazu beitragen, Europa wettbewerbsfähiger zu machen. Die Mittel müssen dazu in eine produktive Verwendung fließen: Gesundheit, Digitalisierung, Vernetzung, Verkehr, also die großen Infrastrukturthemen. Wenn das gelingt, steigt international die Wahrnehmung eines geeinten Europas.
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